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Es kommt gelegentlich vor, dass die Beschäftigung mit Gesellschaft und Kunst gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen anregt.
Matthias Vesco

Matthias Vesco wurde 1987 in Bozen geboren. Er hat in Wien allgemeine Sprachwissenschaft sowie Latein und Germanistik auf Lehramt studiert. Während seiner Studienzeit konnte er Arbeitserfahrung in verschiedensten Bereichen sammeln und einige Reisen unternehmen. In Wien und in Neapel war er im DaF-Bereich (Deutsch als Fremdsprache) tätig und unterrichtet nun in Bozen am Gymnasium Latein und Deutsch.

matthias-vesco-texte.com

 

Publikationen

Berichte eines Köters, Berlin: Autumnus Verlag, Sommer 2017.

Zahlreiche weitere Projekte in Arbeit. 


+ estratti

Aus dem sechsten Kapitel der „Berichte eines Köters“: Ein Unternehmer erzählt nach einer gelungenen Meditationssession von einem Informatiker.

„Da gab es schließlich eine Situation, aus der ich viel gelernt habe, was mir aber erst im Zuge meiner Meditation bewusstwurde und mir als eine persönliche Wende erschien, als ein Punkt, an dem ein System erste Risse aufweist, um letztendlich in sich zusammenzustürzen. Folgendes hatte sich zugetragen: Wir hatten einen Informatiker in unserem Team, einen echten Freak, der wie ein Greifvogel in seine Computertastaturen hackte, sich hin und wieder seine Brillen putze. Anfangs arbeitete er gut, ja erstaunlich gut. Wir entschieden, ihm zu erlauben, seine Arbeitszeiten selbst einzuteilen und es war uns egal, dass die Verdunklung seines Raumes seinen Tagesrhythmus völlig durcheinandergebracht hatte. Solange er gut arbeitete, konnte er gerne um Mitternacht ein Mittagessen zu sich nehmen, das war mir egal. Seine Präsenz war ab dem Zeitpunkt seiner Eigenverantwortlichkeit nicht mehr wirklich spürbar, man wusste nur, dass er dort in seinem Computerraum hauste und uns die Protokolle seines Arbeitsprozesses per Email zukommen ließ.

Als eines Tages ein Meeting der Führungskräfte stattfand, wurden bestimmte Kontrollen angesprochen. So beschlossen wir, dem Informatiker einen Besuch abzustatten. Wir öffneten die Tür und sofort wehte uns ein komischer Gestank entgegen, fühlte sich aufgrund dessen Widerlichkeit wie starker Wind an. Trotzdem betraten wir den Raum, ein wahres Chaos, sodass wir nicht einmal bis zum Ende des Ganges sehen konnten, wo der eigentliche Arbeitsplatz war. Erwartungsgemäß war der Boden mit allerlei Kabeln versehen, Maschinen hier und dort, ein seltsam anmutender Anblick. Die technischen Geräte wirkten bereits wie Müll, aber überall häufte sich auch wirklicher Müll: Jede Menge Pizzakartone, halbvolle und halbverschimmelte Boxen asiatischer Nudeln, ein seltsames grelles Licht von Lampen mit Wackelkontakt, Dosen irgendwelcher Softdrinks, Schmutzwäsche. Es war unglaublich und ich schämte mich und empfand sofort rasende Wut. Ich konnte nämlich nicht dulden, dass meine Autorität durch so etwas untergraben wurde. Da kämpften wir uns durch den ganzen Mist, durch Kabelsalat, verschiedenen Müll wie Bananenschalen und stießen auf einen Käfig, in dem der Informatiker Mäuse hielt, die sich sogar fortgepflanzt hatten.

Wir gelangten zum Arbeitsplatz und da saß unser Übeltäter in seinem Chaos. Es durfte etwa fünf Uhr am Nachmittag gewesen sein. Er aß einen Haferbrei oder Ähnliches und vertrieb sich am Computer mit dem Kartenspiel ‚Solitär’ die Zeit. Da bekam er endlich etwas von unserer Anwesenheit mit und blickte in Unterhosen auf ein halbes Dutzend Männer in feinen Anzügen. Ich rief, um meine Entscheidungsgewalt zu demonstrieren, den Sicherheitsdienst an und forderte nach Spezialisten.“