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...und so viele Türen öffnen sich... ...mit dahinter jeweils einer anderen Welt... ...darf ich mal vorbeischau'n?
Barbara Ladurner

Publikationen:

 

Ladurner, Barbara (2015): Phonetik im integrativen Deutschunterricht. Saarbrücken: AV Akademikerverlag.

 

Ladurner, Barbara (2017): Schulmädchentexte. Stattegg-Ursprung: Gangan-Verlag.

 

Ladurner, Barbara (2018): Anleitung zum Dümmer werden oder Praxis der Unbildung. Stattegg-Ursprung: Gangan-Verlag.

 

 


+ estratti

Textauszug aus dem Roman „Gea – Der Klang des Sommers“ (noch unveröffentlicht) von Barbara Ladurner

 

Unschlüssig versuchte ich, langsam in den grünen Dschungel vorzudringen. Ich berührte den festen Stamm eines Baumes, dessen mächtige Krone sich wie ein gigantischer Schirm über das Terrain spannte. Die Rinde war hart und mit einigen Furchen versehen, aus welchen harziges Pech quoll, das kostbaren Perlen aus Bernstein gleich an der Oberfläche hing. Es raschelte und knackte, während ich mir einen Weg durch das Unterholz bahnte. Ein Schwarm Vögel stob erschrocken aus dem Gebüsch und erhob sich in die Lüfte. Ich duckte mich vorsichtig, um einem kunstvoll gewobenen Spinnennetz auszuweichen, in dessen silbernen Fäden kleine Wassertropfen wie glitzernde Diamanten funkelten. Bedächtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, um allmählich das Gelände zu durchstreifen. Ganz in meiner Nähe zwitscherte ein Rotkehlchen und das emsige Klopfen eines Spechtes drang an mein Ohr. Es war ruhig und schattig unter den weiten Baumkronen und nur vereinzelt fielen goldene Sonnenstrahlen wie helle Lichtsäulen durch das dichte Geäst. Da hallte aus der Ferne plötzlich der tiefe, metallene Klang von Kirchturmglocken durch den Wald. Sie schlugen genau sechs Mal, dann verstummten sie. Starr lauschte ich dem Widerhall des Glockenschlages. Als das Echo völlig verklungen war, setzte auf einmal eine wunderschöne Musik an. Töne, so zart wie gesponnenes Glas, stiegen klingend in den Himmel auf, eine Melodie, so süß und fein, dass sie mir das Herz raubte und mich trunken vor diesem göttlichen Lied vergehen ließ. Wie in einem Rausch folgte ich den magischen Klängen, stolperte über Wurzeln und Steine und war selig gefesselt in den Fängen dieser Engelschöre, deren Passion ich mich nicht zu entreißen vermochte. Taumelnd kämpfte ich mir einen Weg durch das Gehölz. Die Harmonien schwollen nun zu einem gewaltigen Crescendo an, vermischten sich triumphierend mit dem siegesheischenden Impetus der Fanfaren und stürzten wie ein donnernder Wasserfall auf den bebenden Berg herab. Ich erzitterte im Angesicht der tosenden Klangflut, die mich wie eine Welle überspülte und mit sich trug. Mein Puls raste, ich bewegte mich wie in Ekstase vorwärts und war erfüllt von den brausenden Orgelklängen, die sich nun aufbegehrend in einer orgiastischen Schlacht gegenseitig übertrafen, um dann die einzelnen Stimmen formvollendet zurückzunehmen und sich anschließend in einer sehnsuchtsvollen, beinahe flehenden Homophonie zu vervollkommnen. Die aufsteigenden, langgezogenen Töne kulminierten schließlich in einem Meer aus Trauer und Wehmut und waren so brillant und durchdringend wie ein klagendes, herzzerreißendes Weinen, das mich bis in das Innerste zutiefst erschütterte. Dann verebbte die Musik und es war still. Die Welt schien die Luft anzuhalten, kein Vogel wagte es zu singen, kein Laut war zu vernehmen. Nur mein Herz pochte laut im schweigenden Grün des Waldes.


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