Geboren 1988 in Meran, lebt in Naturns. Studium der Germanistik und der Vergleichenden Literaturwissenschaften in Innsbruck. Schreibt Märchen und Sagen für Kinder neu, aber auch Kurzprosa für Erwachsene, in denen zumeist Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Diverse Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien. Arbeitete an einigen Märchen- und Leseprojekten für Kinder an den Bibliotheken im Burggrafenamt und im Vinschgau mit.
2017 arbeitete er an seinem zweiten Märchen-Roman für Kinder, und er beteiligt sich mit einigen Texten an einem Märchen- und Sagenbuch für die Stadt Meran (Erscheinungstermin: Herbst 2017).
Bibliographie (Auswahl)
Der Junge konnte fliegen, aber er hatte keine Flügel. Er musste nur die Arme ausstrecken, und die Winde trugen ihn. Er musste nur einen Gedanken fassen, sich vorstellen, wohin er wollte, und die Reise nahm ihren Lauf.
Er beschloss, zu seinem Vater zu fliegen und schon bald flog er über einen Garten hinweg: ein gepflegter grüner Rasen, ein Rosenbeet, ein Beet mit Salat, Tomaten und Schnittlauch.
Im Schnittlauchbeet saß ein Schäferhund, der blickte mit dunklen Augen traurig zu dem Jungen empor, welcher etwa zehn Meter über dem Hund hinwegflog. Der Junge beachtete den Hund nicht lange und flog weiter.
Jetzt flog er über einen zweiten Garten, der war noch schöner als der erste: ein gepflegter grüner Rasen, ein Rosenbeet, ein Narzissenbeet, ein Beet mit Salat, Tomaten und Schnittlauch, ein Apfelbäumchen, ein Kirschbaum, ein schön gepflasterter Gartenweg, ein kleiner Pool.
Vor dem Pool saß ein Hund, der war ganz schwarz. Er versuchte, zu dem Jungen hinaufzuspringen und bellte vor Freude, den Jungen zu sehen. Bei Weitem konnte er den Jungen aber nicht erreichen. Der Hund bewunderte den Jungen, weil er so hoch fliegen konnte. Der Junge war darauf auch nicht wenig stolz und flog weiter.
Schließlich flog er über einen dritten Garten, der war am allerschönsten: eine Wiese, übersät mit Gänseblümchen und Hahnenfuß. Am Rand des Gartens wuchsen Weiden und es schossen Dickichte aus blühenden Johannisbeersträuchern und Flieder empor. Es gab ein Rosenbeet, ein Beet mit Salat, Tomaten und Schnittlauch, Karotten, Radieschen, Spinat und Kartoffeln sowie Himbeersträucher, Apfelbäume, Kirschbäume, Aprikosenbäume, Walnussbäume und zwischen alledem führte ein breiter asphaltierter Gartenweg zu einem großen Schwimmbecken hinauf.
In diesem Garten arbeitete ein kräftiger Rottweiler, der aufrecht auf zwei Beinen ging. Der Hund rackerte sich mit Hacke und Spaten ab und wischte sich immer wieder den Schweiß von seiner haarigen Stirn.
„Ich bin dein Vater“, rief der Rottweiler zu dem Jungen empor, „dreimal hast du mich nicht erkannt. Hier im Garten lasse ich alles für dich erblühen und es erblüht sogar alles zur gleichen Zeit – nur für dich.“
Der Junge lachte: „Eigentlich solltest du überhaupt nichts sagen dürfen und auf zwei Beinen solltest du schon gar nicht gehen dürfen. Du bist nur ein Rottweiler!“
„Du blöder Hund!“, rief der Rottweiler erbost. Sogleich beruhigte er sich aber und sprach besänftigend: „Entschuldigung, bitte verzeih! Ich denke oft an die Zeit zurück, als mein Vater hier lebte: Einst hat es hier einen Garten gegeben, darin blühten Kanonen – und Gewehre schossen wie Möhren aus der Erde! Die Zeiten sind doch besser geworden, nicht?“
„Du saublöder Hund!“, lachte der fliegende Junge, den der merkwürdige Anblick des arbeitenden Rottweilers noch immer belustigte. Da brach der Hund vor Ärger und Erschöpfung tot zusammen.
Der Junge aber kreiste weiter über dem großen Schwimmbad und fand sein Vergnügen daran. Das Wasser des Pools glitzerte in der Sonne wie zahlreiche falsche Diamanten.
Aus: „Die Reise zum Vater. Erzählung“: 2016, unveröffentlicht.